Review< Zurück 23.10.2012

Abraham Lincoln: Vampire Hunter

Von Max Werschitz

Abraham Lincoln! Vampire! Klingt lustig, oder? Ist es leider nicht.

Hü-hott, Mr. President.

Autor Seth Grahame-Smith erzählte Folgendes von einem Telefongespräch mit seinem Lektor Jason Rekulak: "He called me one day, out of the blue, very excitedly, and he said, all I have is this title, and I can't stop thinking about this title. And he said: Pride and Prejudice and Zombies. For whatever reason, it just struck me as the most brilliant thing I'd ever heard." (Time.com, 2.4.2009).

Gestandene Geeks kennen es ja schon länger, doch jetzt scheint auch der Mainstream darauf aufgesprungen zu sein: herrlich absurde Mashups. Pride And Prejudice And Zombies, Abraham Lincoln Vampire Slayer (beide übrigens von Seth Grahame-Smith) – Geschichten also die zwei völlig unterschiedliche, jedoch oft historisch bedeutende oder popkulturell relevante ("Everything is better with pirates!") Welten und deren Charaktere zusammenbringen. Geschichten die man auch als one joke stories bezeichnen könnte, wo also die zentrale Idee ebenso simpel wie (aber)witzig ist und einem vermutlich nicht nur von Geistesblitzen illuminierten Gehirn entsprang.

Doch so wie die sprichwörtliche Schwalbe noch keinen Sommer macht, so macht eine gute Idee noch keinen guten (Roman oder) Film. Ob Pride And Prejudice And Zombies wirklich lesenswert ist kann ich nicht sagen. Die Idee finde ich, wie Grahame-Smith, jedenfalls auch "brilliant". Und das Cover sehr lustig. Doch weg von den gehirnfressenden, hin zu den blutsaugenden Untoten: "Honest Abe", der schlaksige 16te Präsident der Vereinigten Staaten, ein Vampirjäger? Naja. Warum nicht.

Der Titel ist jedenfalls Programm, und die Handlung eigentlich auch nicht viel komplexer. Der junge Abraham Lincoln (recht sympathisch: Benjamin Walker) wird vom mysteriösen Henry Sturgess (mit anachronistischer Frisur und Sonnenbrille: Dominic Cooper) zu einem silberaxtschwingenden heimlichen Vampirjäger ausgebildet. Vorerst noch ohne jegliche humanistische Motivation, sein Ziel ist die Rache an Vampir Jack Barts (Marton Csokas), der Jahre zuvor seine Mutter getötet hatte. Dies gelingt ihm schließlich auch, doch dann hängt er die Axt erst mal an den Nagel und konzentriert sich auf seine politische Karriere. Erst als er Präsident ist und der Bürgerkrieg ausbricht holt ihn seine blutige Vergangenheit wieder ein: Obervampir Adam (Rufus Sewell) ist Plantagen- und Sklavenbesitzer (well played, Sir: gratis Arbeitskraft- und Frischblutvorrat) und kämpft samt Seinesgleichen auf Seite der Konföderierten. Lincoln, inzwischen hut- und barttragend wie wir ihn kennen und lieben, steht vor der Entscheidung das Leben seiner Frau Mary Todd (Mary Elizabeth Winstead) und seines Sohns Willy (Cameron M. Brown) zugunsten eines erneuten Kampfs gegen die blutsaugende Bedrohung aufs Spiel zu setzen.

Blutleer und nicht bissfest

abrahamlincolnvampirehunter_3.jpgZuerst die gute Nachricht: anders als erwartet ist Abraham Lincoln Vampire Hunter nicht nur eine one joke story die eine bekannte und beliebte historische Figur mit bekannten und aktuell beliebten fiktiven Bösewichten zusammenbringt – die offensichtliche Parallele Sklaverei/Vampirismus macht narrativ Sinn und eröffnet eine weitere erforschenswerte Ebene. Und jetzt die schlechte: leider kommt diese Erforschung zugunsten der Konventionen eines leicht verdaulichen Action-Blockbusters viel zu kurz. Anstatt die Vampire zu einer wahren gesellschaftlichen und moralischen Bedrohung zu machen und ihre Existenz zur turbulenten Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs intensiver mit Geschichte und Politik zu verweben, verkümmern sie zu einer weiteren Truppe von eindimensionalen Filmbösewichten. Bösewichte die skrupelloser, schneller und stärker als ihre menschlichen Gegner sind, sich aber im Endeffekt doch recht erstaunlich leicht abmurksen lassen. Und das obwohl sie, gänzlich gegen jede Vampir-Konvention (Twilight ausgenommen, aber ich sage nur: sparkling Edward) auch tagsüber rauskönnen. Jede durchschnittliche Folge von True Blood bietet im Vergleich dazu mehr Spannung und vor allem mehr intellektuellen Biss, und das heißt was.

Gut, man muss nicht aus jedem Film eine philosophische Abhandlung machen, das sehe ich schon ein. Aber dann will man wenigstens unterhalten werden. Doch auch in diesem Bereich kann Abraham Lincoln Vampire Hunter nicht punkten: trotz seiner, wie man auf Englisch sagen würde, "silly premise", ist er nämlich völlig humorfrei. Wirklich. Völlig. Das hat sogar mich überrascht. Die einzige Lösung hierfür ist vermutlich sich ein Sechsertragerl Bier mit ins Kino zu nehmen und dann irgendwann zumindest bei den unfreiwillig komischen Szenen in sich hineinzukichern.

Was bleibt ist also ein, auch wenn es noch so spritzt, blutleerer 08/15-Actionfilm ganz im Gewand des Zeitgeists: die Hauptcharaktere (allesamt Martial Arts-Profis) prügeln sich, natürlich immer wieder in Zeitlupe, durch ein wirres Sammelsurium an allzu offensichtlich computergenerierten Spezialeffekten und unerträglich farbkorrigierten Szenerien (Stichwort "teal and orange", hier übrigens ein sehr guter Artikel dazu).

Und was bleibt ist die Frage wer Schuld an dem Ganzen ist. Vielleicht 20th Century Fox, das Filmstudio. Vielleicht die Produzenten, unter ihnen Tim Burton, der ja selbst schon länger keinen überzeugenden Film mehr abgeliefert hat. Regisseur Timur Bekmambetov wiederum hat wohl sein handwerklich Bestes gegeben, ganz in der Tradition seiner vorigen Filme, von denen ich zumindest Day Watch (2006) und 9 (2009) ganz passabel fand. Fragwürdig ist jedenfalls die Rolle von Seth Grahame-Smith: dieser hat nämlich nicht nur die Romanvorlage, sondern auch das Drehbuch geschrieben. Und interessanterweise ist die Romanhandlung, glaubt man der Inhaltsbeschreibung von Wikipedia, in vielen wichtigen Details anders, und klingt weitaus nuancierter und somit vielversprechender.

Vielleicht sollte ich also zumindest dem Buch noch eine Chance geben. Und auch noch schnell Pride And Prejudice And Zombies lesen, bevor er ins Kino kommt – ja, von dem ist natürlich ebenfalls eine Verfilmung geplant. Mal schauen ob Jane Austen dann im Grab rotiert. Abraham Lincoln macht es ziemlich sicher.

Trailer

Auf einen Blick

  • Jahr: 2012
  • Länge: 105 min
  • Regie: Timur Bekmambetov
  • Drehbuch: Seth Grahame-Smith
  • Darsteller: Benjamin Walker, Dominic Cooper, Anthony Mackie, Mary Elizabeth Winstead, Rufus Sewell, Marton Csokas
  • Webseite

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

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